Auftrag: Fotoreportage
Auftraggeber: Ruhpolding Tourismus KU
Art: O`KEMA Magazin Ausgabe 3
Text: Kathrin Thoma-Bregar | www.pressepunkttext.de

So ist’s der Brauch

Es riecht so streng wie in einem Schafstall. Überall liegen Felle herum, dazwischen Kleidungsstücke, Schnüre, breite Gürtel, furchterregende Masken und Glocken. Die Stimmung ist aufgeregt, freudig, ungeduldig. Es ist der fünfte Dezember, ein Mittwochmittag und über dem Rauschberg hängen dichte, schneeversprechende Wolken. Es wird der Auftakt eines strengen Winters sein. 
Die Burschen, die im Stadl beim Klein-Gstatter Bauern ein- und ausgehen, haben dafür keinen Blick. Sie fiebern den kommenden Stunden entgegen. Die Vorfreude ist spürbar. Wenn auch  der Letzte von ihnen in Fellen eingepackt und mit Glocken und  Maske versehen sein wird, wenn schwarzer Ruß im Gesicht, an  den Armen und Händen verteilt ist, geht es endlich los. Dann  dürfen sie wieder als Krampusse durch die Gemeinde ziehen  und in den Rauhnächten als Perchten ihr Unwesen treiben. 

Die Burschen sind alle zwischen 16 und 35 Jahre alt, unverheiratet  und kinderlos und gehören zur Rauschberg Pass. Sie pflegen  ein jahrhundertealtes Brauchtum, das es im ganzen  Alpenraum gibt: Am fünften und sechsten Dezember ziehen der  Nikolaus, Engel und furchteinflößende Gestalten – die Krampusse  – durch den Ort und von Haus zu Haus. Sie beschenken  die braven Kinder. Wer unartig war, bekommt ihre Ruten zu spüren.  Die Berührung soll symbolisch das Schlechte und das Böse  aus dem Menschen treiben. Jungen Liebespaaren bringt der  Klapps Fruchtbarkeit und Glück. Die ganze Gruppe wird als Pass  bezeichnet. 

Ganz hinten in der Kammer des Stadls beim Klein-Gstatter  Bauern, in der einst eine Rauchküche war und die dicken Steinmauern  schwarz gefärbt hat, muss sich Fritz Fischer Junior ordentlich  anstrengen. Mit ganzer Kraft ziehen er und Tobias Strobl  an den Schnüren, die die großen Glocken auf Patrick Springers  Rücken fixieren. Die wiegen zwischen 30 bis 40 Kilogramm und  machen richtig viel Lärm. „Es darf nicht zu fest sein, damit  nichts einschnürt aber auch nicht zu locker, sonst würden  die Glocken auf Rücken, Kreuz und Schulter aufschlagen“,  erklärt Fritz das Prozedere. Er ist der Vorstand der Rauschberg  Pass. Die hat sich auf seine Initiative hin 2008 gegründet und  zählt insgesamt 35 Mitglieder. Davon mehr als die Hälfte aktive  Läufer. 

Rund zwei Stunden dauert es, bis alle ihre Kostüme anhaben.  Nicht jeder trägt so große Glocken wie Patrick. Viele haben deutlich  kleinere umgeschnallt, so sind sie beim Laufen  schneller und wendiger. Umhänge haben alle an,  Rauschberg Pass meist ist es Schaf- oder Ziegenfell. Die jüngeren Mitglieder  haben sich ihre aus vielen Fellflecken selbst zusammengeklebt,  immerhin kostet ein Umhang vom Gerber gefertigt zwischen  400 und 800 Euro. Nicht billig sind auch die Holzmasken fürs  Gesicht. Etwa 300 bis 500 Euro muss man dafür zahlen. Gut,  dass die Pass mit Walter Schmidberger und Tobias Strobl eigene  Holzschnitzer in der Gruppe hat. 
„Unsere jüngsten Mitglieder dürfen anfangs noch nicht mit  Holzmasken laufen, die Sicht ist damit eingeschränkt und  es braucht Übung, bis man sich richtig bewegen kann. Sie  haben stattdessen Fellmasken auf“, erklärt Fritz Fischer. Er  selbst gibt heuer das letzte Mal den Nikolaus, begleitet von  zwei Engeln. Im kommenden Jahr wird diesen wichtigen Posten  ein anderer übernehmen. „Als Kind war ich fasziniert von der  Gestalt des Nikolauses und seinem Gefolge. Und ich habe  mich ganz schön gefürchtet“, erzählt er, während er dem  nächsten Pass-Mitglied die Glocken schnürt. 

Etwa 15 Familien wird die Rauschberg Pass heute besuchen  und morgen noch mal so viele. Die Häuser sind in der ganzen  Gemeinde verstreut. „Wir haben überall ungefähr eine halbe  Stunde Zeit für jede Familie“, sagt Fritz Fischer. Dort sagen die  Kinder in der Stube Gedichte auf oder singen ein Lied. Wenn  der Nikolaus mit ihnen schimpfen muss, weil sie die Hausaufgaben  nicht brav gemacht oder nicht auf die Eltern gehört  haben, scheppern die Kramperl böse mit ihren Glocken. Sie  knurren und drohen. „Es braucht viel Sensibilität und Gefühl,  um die Kinder nicht völlig zu verängstigen. Wenn eins anfängt zu weinen, dann geht man ein paar Schritte zurück  oder kniet sich hin“, macht Krampus Patrick vor. 

Alle Pass-Mitglieder sind fertig angezogen. Bevor es richtig losgeht,  holen sich die Burschen beim Pfarrer noch den Segen ab.  Bis sie von ihrer Runde wieder zurückkehren werden und Masken,  Fell und Glocken ablegen können, wird es auf Mitternacht  zugehen. Sie werden völlig erschöpft sein und glücklich und  euphorisch. Was das Tolle am Krampuslaufen ist? 

„Wenn man in die gespannten und  erwartungsvollen Kinderaugen sieht,  das ist einfach der Wahnsinn“, 

schwärmt Nikolaus Fritz und streicht sich über den langen weißen  Bart. „Und der Zusammenhalt der ganzen Gruppe ist  einfach was Schönes. Wir können es im Sommer kaum erwarten,  dass es endlich wieder Dezember wird“, sagt Patrick

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